Café Botanico - Vom Garten auf den Teller

Ein Paradiesgarten im Hinterhof - mit Café

Freunde erzählen von einem Café mit Permakulturgarten mitten in

Berlin. Das muss ich mir anschauen! Am Samstagabend gehen wir dort etwas essen – es gibt sehr leckeren Wildkräutersalat, Linseneintopf und Risotto. Am nächsten Tag komme ich noch einmal wieder, um mir bei der sonntäglichen Führung den Garten bei Tageslicht anzuschauen und mit dem Gärtner Martin Höfft zu sprechen.

Schon das Schild am Garteneingang mit der Aufschrift »Trau nicht dem Ort, an dem kein Unkraut wächst« lässt vermuten, dass es sich hier nicht um einen jener Gemüsegärten handelt, in denen Zwiebeln und Erbsen in Reih und Glied neben Schnittlauch und Möhren in feinsäuberlich gejäteten Beeten stehen. Der Blick um die Ecke auf die 1000 m²große Parzelle, die sich im rundum von Häusern eingefassten Hinterhof des Cafés erstreckt, bestätigt die Vermutung: Der Garten ist auf den ersten Blick eine Wildnis mit Wegen und einigen Mäuerchen. Doch bei der Führung lernen wir dann zu sehen, was sich alles in den Beeten verbirgt, und wir erfahren, nach welchen Prinzipien der Garten gestaltet wurde und weiterhin bepflanzt und gepflegt wird.

 

Der Garten wurde Anfang 2012 angelegt, seit August 2013 beliefert er das angeschlossene Café. Neben Obst und Gemüse gibt es hier auch fünf Bienenstöcke, im Café wird »Echt Neuköllner Honig« verkauft. Artenvielfalt zu fördern, mit Kompost zu düngen, Schädlingen durch Mischkulturen und geschickte Fruchtfolge das Leben schwer zu machen und Pflanzenkrankheiten mit organischen Mitteln wie Beinwelljauche zu bekämpfen, anstatt Chemikalien einzusetzen, das ist für den biozertifizierten Betrieb selbstverständlich. Darüber hinaus gibt es noch einige weitere Besonderheiten, die Martin Höffts Permakulturgarten von einem herkömmlichen Biobetrieb unterscheiden.

 

»Beobachte und interagiere!« – das erste Gestaltungsprinzip des Permakultur-Mitbegründers David Holmgren (siehe auch Oya 18) war leitend bei der Anlage des Gartens. Auf dem Grundstück befand sich einst eine Kleingartenanlage, die in den 20 Jahren vor der Einrichtung des Permakulturgartens verwilderte. Einige großgewordene Nadelbäume mussten gefällt werden, um die Fläche überhaupt wieder für Gemüseanbau nutzen zu können. Ansonsten ging Höfft eher dezent vor. Anstatt großflächig mit der Bodenfräse das Unkraut zu beseitigen, um danach einen neuen Garten nach seinen Vorstellungen anzulegen, rückte er dem Dickicht mit kleiner Hacke, Schaufel und Bestimmungsbuch zu Leibe, um so viele der vorhandenen Pflanzen wie möglich zu erhalten und sie seinen Plänen entsprechend umzupflanzen. Vorgefundene Obstbäume, Himbeeren, Erdbeeren und ein Weinstock konnten so bereits im ersten Jahr zur Ernte beitragen und sorgten mit dafür, dass der Garten schon ein halbes Jahr nach seiner Anlage im Wettbewerb »Berlin summt« zu einem der bienenfreundlichsten Orte der Stadt gekürt wurde.

Bewusst getroffene Pflanzenauswahl

Hier werden bevorzugt mehrjährige Gemüsesorten angebaut, die möglichst lange – idealerweise die ganze Gartensaison über – beerntet werden können. Diese sind generell robuster als einjährige Pflanzen und brauchen, sobald sie einmal etabliert sind, viel weniger Pflege. Zum Beispiel müssen frisch ausgesäte Salatpflanzen anfangs gegossen, dann vor Schnecken beschützt

werden und schließlich gilt es durch regelmäßiges Jäten die Wildkräuterkonkurrenz in Schach zu halten. Der mehrjährige Gemüseampfer, der unter anderem als Salat taugt, kann hingegen mehrmals pro Saison geerntet werden, die große Pflanze ist nicht so anfällig für Schnecken und übersteht durch ihr gut ausgebildetes Wurzelsystem auch Trockenperioden besser als einjährige Salat- oder Gemüsepflanzen. Da der Gemüseampfer selbst dazu neigt, sich unkrautartig auszubreiten, gehen hier jäten und ernten Hand in Hand.

 

Natürlich gibt es auch einjährige Gemüse, doch bei diesen überwiegen ebenfalls Sorten, die über einen längeren Zeitraum geerntet werden, wie beispielsweise der Pflücksalat. Und sie sind mit bodendeckenden essbaren Wildkräutern kombiniert. Besonders beeindruckt hat mich ein gigantischer Grünkohl von bestimmt 2,50 Meter Höhe, an dessen Stämmchen sich noch Stangenbohnen hochrankten – eine Berliner Interpretation der »Milpa«, der traditionellen mittelamerikanischen Mischkultur aus Mais, Bohnen und Kürbis, wo der Mais den Bohnen als Rankhilfe dient.

Bewirtschaftung nach Beobachtung

Die gärtnerische Aktivität ist hier eher darauf gerichtet, eine Balance zwischen den Pflanzen zu erzielen, als deren Wachstum durch steten Arbeitseinsatz zu regulieren. Durch sorgfältiges Beobachten der Pflanzen und ihrer Verbreitung wird versucht, ein gutes Verhältnis zwischen Arbeitseinsatz und Ernte zu erzielen. Martin Höfft sucht durch Ausprobieren und Beobachtung Antworten auf Fragen wie »Wo säen sich bestimmte Wildkräuter erfolgreich

selbst aus, damit ich sie dort ernten kann, ohne sie jedes Jahr neu zu säen? Da erhalten sie ihren Ort! Kümmern die Erdbeeren vor sich hin? Wo wachsen sie besser? Was kann überhaupt unter dem Walnussbaum gedeihen?« 

 

Hier zeigt sich ein weiteres leitendes Prinzip aus der Permakultur: »Optimieren statt maximieren!« Es soll nicht nur auf den maximalen Ertrag gezielt werden – beinahe egal um welchen Preis –, wie es in der konventionellen Landwirtschaft geschieht, sondern es geht um einen optimalen Einsatz von Material und Arbeit im Verhältnis zur Ernte. Dieser energiesparende Ansatz zeigt sich im Detail in der geschickten Auswahl und Platzierung der Pflanzen in den Beeten. Aber nicht nur dort.

Vermarktung und Verzehr vor Ort

Auch beim Verkauf der Gartenprodukte gibt es eine geschickte Anordnung in Form der Direktvermarktung im Café Botanico. Die Ernte kann zu Fuß in die Küche gebracht werden, und in dem sympathischen Familienbetrieb kocht der Schwiegervater des Gärtners schmackhafte italienische Gerichte. Das Besondere ist hier: Die Ernte bestimmt den Speiseplan, nicht umgekehrt.

Das Angebot ist saisonal und regional, natürlich müssen so manche Lebensmittel zugekauft werden, aber der Anteil aus dem Garten wird mit der Zeit größer werden. Das Wesentliche ist jedoch, diese direkte Verbindung überhaupt erst einmal zu etablieren.

 

Denn durch das Schließen lokaler Kreisläufe kann Energie gespart und Verpackungsmaterial und Müll vermieden werden. Auch der Kontakt zwischen den Erzeugern und den Konsumentinnen ist wieder hergestellt. Weil für Martin Höfft das Ganze nicht nur ein Beruf, sondern auch eine Mission ist, gibt es im Garten einen botanischen Lehrpfad; bei schönem Wetter findet sonntags um 15 Uhr eine Führung statt. 

 

Für mich ist das ein wegweisendes Konzept. Mit so radikal lokaler Nahrungsmittelproduktion können wir ressourcenschonender leben, und gleichzeitig bleibt die Stadt, in der Gemüse angebaut wird, ein lebendiger und lebenswerter Ort.

 

Mein Rat: Unterstützt dieses Projekt, probiert euch durch die Speisekarte! Und besichtigt diesen tollen Garten!

Café Botanico

Richardstr. 100, U-Bahn Karl-Marx-Straße.

 

Das Café ist geöffnet von Dienstag bis Sonntag von 12-22 Uhr.

 

Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht in Oya 27 - Juli/August 2014

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