Stadtgärtnern mit Hintergedanken

Urbane Permakultur – Stadtgärtnern mit Hintergedanken

 

Though the problems of the world are increasingly complex, the solutions remain embarrassingly simple.

Bill Mollison

All the worlds problems can be solved in a garden.

Geoff Lawton

 

Ein Permakulturgarten ist ein Nutzgarten aus meist mehrjährigen Pflanzen, die möglichst vorteilhaft miteinander und häufig auch mit Nutztieren kombiniert werden. Und das Ganze ruht auf einem ethischen Fundament: Earth Care, People Care, Fair Share, so haben Bill Mollison und David Holmgren, die Begründer der Permakultur, es proklamiert: Sorge für die Erde, Sorge für den Menschen, Gerechtes Teilen.

 

Was haben nun diese Grundsätze mit Gartenarbeit zu tun, wie das dazu beitragen, in einem Garten die Probleme der Welt zu lösen? Und vor allem, wie soll diese eher für ländliche Gegenden entwickelte Philosophie in der Stadt funktionieren?

Städte sind zum größten Teil asphaltiert und grau – dreckig und voll mit Gebäuden, Straßen, Bahngleisen, U-Bahnschächten und Menschen, wo soll da Platz für Nutzgärten sein? Doch es gibt auch Vorgärten und Hinterhöfe, Parks und Spielplätze und im Daneben und Dazwischen gibt es Grünflächen mit so schönen verwaltungstechnischen Namen wie „Baumscheibe“ oder „Straßenbegleitgrün“. Und dazu kommen noch die Dächer und die Wände der Gebäude. Alles zusammen eine Menge an Flächen, die schon bepflanzt sind, oder die noch begrünt werden können. Sogar in den Gebäuden kann es weitergehen mit Window-Farms, Kompostkisten und Pilzzucht.

Und wenn man genau hinschaut, sieht man es schon wachsen. Pflanzen erobern Räume zurück, wachsen aus den kleinsten Ritzen, sogar auf Gebäuden. Urbane Permakultur versucht nun, mit dieser spontanen Vegetation gewissermaßen zusammenzuarbeiten, ihr neue Räume zu eröffnen, und sie um für uns nützliche Pflanzen zu ergänzen. Das Ziel ist es, die vielen Möglichkeiten, Materialien und speziellen Umweltbedingungen der Städte zu erkennen und sie zu nutzen, um karge, oder asphaltierte Flächen zu Lebensräumen mit Erntemöglichkeit zu machen, um die Grundbedürfnisse von Menschen und anderen Lebewesen zu befriedigen und die drei Leitsätze zu erfüllen. Wie das geht, zeigen die folgenden Beispiele.

 

Asphalt, Ränder und Höfe

 

Die Hayes Valley Farm in San Francisco hat eine ehemalige Freeway-Auffahrt zu einer städtischen Farm gemacht. Hochbeete mit Gemüse, Obstbäume in Mörtelkübeln, ein mit recycelten Betonbrocken – Urbanite genannt – ausgekleideter Bachlauf, der bei Regen das Wasser auf dem Gelände verteilt. Und alles wächst auf dem Asphalt, der mit Pappe, Holzschnitzeln und Kompost – Materialien, die die städtische Müllabfuhr geliefert hat – bedeckt wurde. Nachschub an Küchenabfällen zum Kompostieren kam einmal pro Woche in 5 Schubkarren aus der Großküche des nahegelegenen buddhistischen Zentrums. Durch das Aufschichten von organischem Abfall und Altpapier auf einer Straße mitten in der Stadt ist hier ein Gemüse produzierendes Refugium entstanden, auf dem sich neben den Bienen und Hühnern der urbanen Farmer auch zahlreiche Wildvögel einfanden.

 

Die unbeachteten Randstreifen hingegen haben es Alex Smith, dem Gründer der Müslifirma Alara, angetan. Mitten in London, in einem Gewerbegebiet nahe beim Bahnhof Kings Cross, hat er die schmalen Streifen um seine Produktionshalle herum in einen erstaunlichen Garten verwandelt. Es gibt einen Mini-Weinberg, eine Obstbaumwiese sowie einen Gemeinschaftsgarten. Ein Randstreifen ist mit einer fast unglaublichen Vielfalt an Obstbäumen, -sträuchern und essbaren Stauden bepflanzt. Stickstoff aus der Luft bindende Gehölze stehen als Düngerlieferanten neben Beerensträuchern, die Hecke ist gleichzeitig Plantage, sie soll in einigen Jahren das Holz für die dann benötigten Zaunpfähle liefern. Bewässert wird mit dem Regenwasser vom benachbarten Dach, das mithilfe der Schwerkraft im leicht abfallenden Gelände verteilt wird.

 

Noch einen Schritt weiter geht das Café Botanico in Berlin. Aus dem – auch hier hauptsächlich mit Mehrjährigen bepflanzten – Permakulturgarten im Hinterhof kommt unter anderem der Wildkräutersalat direkt im Vorderhaus auf den Cafétisch. Das Prinzip ist, was gerade reif ist, kommt auf die Speise- karte. Zudem stehen mehrere Bienenvölker im Garten, deren Honig ebenfalls im Café verkauft wird. Durch die Direktvermarktung ohne Foodmiles wird hier zusätzlich zum Kompostkreislauf ein wirtschaftlicher Kreislauf geschlossen. Das ist etwas, was in der Stadt aufgrund der vielen Menschen, die auf engem Raum leben, besonders ist und besser funktioniert als auf dem Land.

An diesen Beispielen zeigen sich schon einige Gestaltungsprinzipien urbaner Permakulturgärten: Es werden nützliche Verbindungen innerhalb des Gartens und vom Garten nach außen geknüpft, man versucht, Erträge zu erzielen und dabei energieeffizient vorzugehen, zum Beispiel durch Multifunktionalität und die geschickte Anordnung von Elementen. Die Nutzung von sonst als Abfall angesehenen Ressourcen ist der Natur abgeschaut: in Ökosystemen gibt es keinen Müll, alles was ein Lebewesen zurücklässt, wird von anderen gefressen oder anders genutzt. Statt sich für die Gestaltungen qualitativ hochwertige Grundstücke herauszupicken, werden häufig vernachlässigte oder bebaute Flächen regeneriert.

 

Typisch für die Permakultur ist noch der besondere Schwerpunkt auf dem Gärtnern mit mehrjährigen Pflanzen, nicht nur beim Obst, sondern auch im Gemüsegarten. Hier macht man sich das dauerhafte oder wiederkehrende Wachstum und die Überwinterungsfähigkeit bestimmter Pflanzen zunutze, um Aufwand zu sparen: Denn, einmal etabliert – ist zum Beispiel der Gemüseampfer (der ähnlich wie Spinat oder Mangold verwendet wird), durch seine tief gehenden und weitverzweigten Wurzeln weniger empfindlich gegen Trockenheit, Schnecken oder Blattläuse, als aus Saat neu gezogene Gemüse- pflanzen. Und: er ist schon da, man muss also ab dem 2. Jahr für die Ernte kein Beet vorbereiten. Wie im klassischen Biogarten werden keine Pestizide, Kunstdünger und Torf eingesetzt. Pflanzenkrankheiten und mitessenden Insekten versucht man durch Mischkultur, Fruchtwechsel und biologische Pflanzenstärkungsmittel wie Brennessel-, Schachtelhalm-, oder Beinwelljauche beizukommen und gedüngt wird mit Kompost. Neben den direkten Nutz- pflanzen werden auch Blütenpflanzen und Teiche sowie Holz- oder Steinhaufen als Lebensräume für Nützlinge mit einbezogen – es wird also das Öko- system insgesamt bereichert.

 

Und in einem Garten, der als essbare Landschaft gestaltet ist, gerät die Pflege häufig schon zur Ernte. Schneide ich z.B. eine Salbeistaude zurück, habe ich keinen Grünschnitt, den ich entsorgen muss, sondern zunächst noch einen Strauß Kräuter, die erst nach dem Genuss eines gesunden und leckeren Tees auf den Kompost kommen. Durch die Auswahl einer essbaren Pflanze wird also die Nutzung intensiviert, indem eine weitere Schleife eingebaut wird, in der Wert entsteht, wo vorher nur Entsorgungsaufwand war. Dieses Prinzip mag auf den ersten Blick banal wirken, es hat aber großes Potenzial, Energie zu sparen. wiederum Nahrung für Vögel (oder auch Amphibien und Reptilien sind) – es wird also das Ökosystem insgesamt bereichert.

 

Im Normalfall sind allerdings die städtischen Grünflächen weder besonders naturnah gestaltet noch auf Nützlichkeit für den Menschen optimiert, sondern eher auf „immergrün“ und „möglichst wenig Arbeit“, soweit es öffentliche Flächen sind und im Privaten häufig nach dem altbewährten Muster „Rasen- Rosen-Koniferen“, wobei diese zunehmend durch Kirschlorbeer ersetzt werden. Aus permakulturellem Blickwinkel sind das nahezu grüne Wüsten, also genau das Gegenteil von dem, was man erreichen will. Ernte? Fehlanzeige! Rasen muss gemäht, gepflegt und gedüngt werden, das bedeutet Arbeitsaufwand und Energieverbrauch für rein dekorative Zwecke.

 

Dafür muss man umdenken, die Grünflächen nicht als lästige, potenziell unordentlich aussehende Randstreifen sehen, die man auch noch pflegen muss, was ja Geld kostet, sondern jede Grünfläche oder sogar jede freie Fläche, wenn man Wände und Dächer mit einbezieht, als Gelegenheit zu einer Ernte zu sehen. Wenn man in diese Richtung umgedacht hat, sieht man die Stadt wirklich mit anderen Augen: Verglaste Bürofassaden – wunderbare Gewächshäuser, die Verkehrsinsel – eine Blumenwiese, die geschützte Süd- wand eines Hochhauses – Weinanbaugebiet? Wenn man es so sieht, dann ist die Stadt auf einmal voll mit Pflanzgelegenheiten, die auffälligste davon sind vielleicht die Dächer.

 

Dächer und Balkone

 

Sofern sie windgeschützt sind, bieten Dächer oft ideale Wachstumsbedingungen, denn sie sind eher sonnig und in Städten herrscht generell ein milde- res Mikroklima, da die steinernen Oberflächen Wärme speichern. Zusätzlich bietet die Gebäudetechnik Potenzial für sinnvolle Kombinationen: die warme Abluft von Kühlaggregaten kann zum Beheizen von Gewächshäusern oder das Tropfwasser von Klimaanlagen zum Bewässern verwendet werden. So wird das Gebäude selbst zur Ressource für den auf ihm wachsenden Garten.

Ein Forscherteam der Universität Bologna sieht große Möglichkeiten für das Dachgärtnern: Es kommt zu der Prognose, dass es in Bologna, wenn alle dafür geeigneten Dachflächen genutzt würden, möglich wäre, 77 % des Gemüsebedarfs ihrer Bewohner zu decken. Dabei würden außerdem 624 t CO2 pro Jahr gebunden und weitere Energieeinsparungen würden sich durch kürzere Transportwege ergeben. Und – sofern die Dachgärten nach biologischen Prinzipien bewirtschaftet werden – entsteht dabei noch ein Ökosystem.

 

Und die Ideen beschränken sich nicht auf Gemüse: Eine Berliner Firma bietet Aquaponic-Systeme an und zeigt den Erfolg in einer Musterfarm auf einem Dach in Schöneberg. Hier werden Tomaten und Salate angebaut und Fische gezüchtet. Dabei werden das Wasser aus den Fischzuchtbecken für die Be- wässerung der Pflanzen und die Fischausscheidungen als Dünger verwendet.

Bei der Rooftop-Farm, die beim Bau eines Krankenhauses in Singapur mit eingeplant wurde, kommen noch zusätzliche nützliche Aspekte dazu. Im tropischen Klima bewirkt die Bepflanzung zusätzlich zu dem Nutzen des frischen Gemüses für die Patienten eine deutliche Kühlung des Gebäudes, und spart dadurch Energie für Klimaanlagen; zudem schafft der Dachgarten in dem kleinen, dicht bebauten Insel- und Stadtstaat eine wohltuende und heilsame Umgebung.

 

Aber man kann auch ganz klein und bei sich zuhause anfangen. Auf meinem Balkon – eigentlich ist es nur eine 30 cm breite Fensterbank mit Geländer, insgesamt hat sie einen Quadratmeter Grundfläche – baue ich in kleinem Maßstab Obst und Gemüse an. In einem alten Mülleimer steht eine Säulen- brombeere, daneben in einem Blumenerdesack eine Zucchinipflanze und ein Kartoffelturm im (aufgestockten) Blumentopf. Dann gibt es noch Strauchto- maten, Hokkaidokürbis und in Blumenkästen und -töpfen Salat, Mangold, Grünkohl einige Kräuter und essbare Blütenpflanzen wie Borretsch und Ka- puzinerkresse. Die Erde besteht aus in einer Wurmkiste selbst produziertem Kompost gemischt mit ausgelaugter Blumenerde.

 

Seitdem es blüht, sind immer einige Hummeln, Schwebfliegen und Bienen da und im Sommer hat sogar eine Amsel unter dem Schutz der Zucchiniblätter ihr Nest gebaut und dort ihre Brut aufgezogen. Außerdem gab es 2,5 kg Zucchini, 1-2 kg Tomaten, zwei Kürbisse, 500 g Brombeeren sowie Kräuter Kartoffeln, Mangold und Salat zu ernten – und das im ersten Jahr. Sogar ein winziger Balkon kann also zu einer Oase werden, die nicht nur Tieren Lebensraum und Nahrung bietet, sondern auch eine für die kleine Fläche beachtliche Ernte.

 

Das zeigt, wie vielfältig und ergiebig auch kleine Räume bepflanzt werden können, und wie schnell eine Vernetzung mit dem umgebenden Ökosystem beginnt. Beim Blick auf restliche die Fassade des Hauses, sehe ich jedoch nur Stein und Glas. Auf einigen anderen Balkonen hängen noch 1-2 Blumenkäs- ten, meist verwaist. Mein Balkon ist eindeutig der grünste des ganzen Ge- bäudes. Stellt man sich nun vor, alle Balkone wären ähnlich begrünt, wäre es schon fast paradiesisch. Am besten wären sie über die Fallrohre automatisch bewässert. Zu jeder Wohnung könnte ein Spindelobstbaum mit vermietet werden und einige Pflanzsäcke mit Erde. Und dann gäbe es natürlich noch eine Kompostieranlage im Keller zur Verarbeitung der im Haus anfallenden Grünabfälle. Aber nun fange ich an, herumzuträumen... aber, schön wäre es und nicht mal allzu kompliziert umzusetzen.

 

Neben guter Erde ist für den Erfolg eines Kübelgartens Wasser ein weiterer wesentlicher Faktor. Wer keinen Zugang zu Regenwasser hat, kann andere Lösungen finden. Ich habe beobachtet, dass oft kein Spülmittel, Salz oder sonstiges, Pflanzen Abträgliches ins Wasser gerät, wie beim Gemüsewaschen oder beim Ausspülen des Espressokochers. Genau betrachtet ist das meiste Wasser, das in der Küche anfällt, als Gießwasser geeignet. Daher fange ich nun dieses Wasser mit einer Schüssel auf und gieße damit.

 

Wenn noch Krümel, Kaffeesatz oder Teeblätter dabei sind, umso besser:  Die fungieren gleich als Dünger. Das Wasser, das aufwendig in einer Kläranlage gereinigt und mit Energie durch Rohre in den 7. Stock gepumpt wurde, läuft so nicht nach einmaliger Verwen- dung den Abfluss wieder hinunter und wieder durch ein Rohrsystem zurück zur Kläranlage, sondern es bleibt im Balkongarten, wo es die essbaren Pflanzen einerseits wachsen lässt, andererseits von ihnen verdunstet wird, was die Luft verbessert, also ein weniger trockenes Mikroklima erzeugt. Das Restwasser aus dem Prozess der Küchenarbeit wird für den Prozess des Gärtnerns auf dem Balkon verwendet. Anstatt also das eine Wasser als Abfall zu entsorgen und die Gießkanne mit frischem Wasser, extra für die Pflanzen heraufgepumpt zu füllen, sind diese beiden Prozesse nun integriert und so miteinander verbunden, dass der Abfall des einen die Nahrung des anderen wird.

Der beschränkte Platz kann durch vertikales Lösungen optimal ausgenutzt werden, mit Rankpflanzen, Blumenampeln, Kartoffeltürmen, an der Wand befestigten Pflanzkästen oder freistehenden Gestellen. Seitdem das Nutzgärtnern auf dem Balkon zu einem Trend geworden ist, gibt es auch jedes Jahr neue Beerensträucher, Spindelobstbäume und Gemüsepflanzen, die sich besonders gut für den Anbau in Kisten oder Kübeln eignen.

 

Klar, vom Balkon wird man sich nicht ernähren können, dennoch ist es eine wertvolle Erfahrung, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und durch das Kompostieren mit der Wurmkiste, das Pflanzen im selbst erzeugten Kompost und die natürlich Ernte, einen Kreislauf zu etablieren. Einerseits kann man diese Fähigkeiten auch auf größeren Flächen anwenden, andererseits ist es auch im kleinen Maßstab gut, sich selbst als anbauenden Menschen zu erleben. Unser Wort Kultur geht zurück auf cultivare – Land bearbeiten. Wir gehen damit also an die Grundlage unserer Zivilisation und agieren gewissermaßen radikal kulturell, wenn wir die moderne Arbeitsteilung und den Konsum für den Moment beiseite lassen und selbst die Schaufel in die Hand nehmen. Denn wenn wir uns mit natürlichen Kreisläufen verbinden, vernetzt und integriert agieren – so trivial und alltäglich die einzelnen Handlungen auch sein mögen – ist das eine fundamentale Ent-Entfremdung.

 

Vernetzung -‐ mehr als „nur in der Erde buddeln“

 

In der englischen Kleinstadt Todmorden und beim Kulturenergiebunker-Projekt in Hamburg geht es nicht nur darum, auf freien oder neu eroberten Flächen zu Gärtnern, sondern auch darum, Gemeinschaft aufzubauen und spezielle Gelegenheiten in der Stadt produktiv zu nutzen. Beide zeigen, wie man erfolgreich bottom up, also von unten, Impulse für eine ganze Kommune geben und tatsächliche Veränderungen bewirken kann.

Die Initiative „Incredible Edible Todmorden“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Stadt „essbar“ zu machen. Das heißt: möglichst alle öffentlichen Grün- und Freiflächen sollen mit essbaren Pflanzen bestückt werden und möglichst viele private Gärten ebenfalls. Alles, was auf den öffentlichen Flächen wächst, steht allen Bewohnern und Besuchern der Stadt zur Ernte zur Verfügung. Hier sind die Sorge für den Menschen und das gerechte Teilen umgesetzt, zusammen werden Dinge bewerkstelligt, die einen spürbaren Effekt auf das Leben in Todmorden haben. So ist die Kriminalitätsrate der Kleinstadt um 12% gesunken, seitdem die Bürgerbewegung aktiv ist.

 

Das zentrale Anliegen des Kulturenergiebunker-Projekts ist der Umbau eines Hochbunkers aus dem Zweiten Weltkrieg in ein Wärmekraftwerk, das Holzabfälle aus den umliegenden Parks verarbeiten und direkt in die vorbeiführende Fernwärmeleitung einspeisen soll, um Haushalte im Stadtteil zu ver- sorgen – Nahwärme statt Fernwärme ist hier das Motto. Der Erlös aus dem Wärmeverkauf soll eine kulturelle Nutzung im restlichen Bunkergebäude finanzieren. Angedacht sind unter anderem Proberäume für Musiker, eine Filmwerkstatt und ein Ausstellungsraum. Hier wird ein anderes Grundbedürfnis als das nach Nahrung adressiert, und für die Wärmeversorgung wer- den die städtischen Grünanlagen zum erweiterten Garten. Neben diesem langfristigen Ziel der Stadtentwicklung von unten hat der Verein am Bunker einen Gemeinschaftsgarten mit Hochbeeten, Lehmofen, Komposttoilette und Bienenstöcken aufgebaut, indem regelmäßig gemeinsam gebacken und gegärtnert wird und andere Veranstaltungen stattfinden.

 

Auch eine spannende Vernetzung: Mittlerweile gibt es schon mehrere Firmen, die Kaffeesatz in Cafés einsammeln und als Substrat für die Pilzzucht verwenden. Hier wird Abfall zur Grundlage eines neuen Produkts, geht in der Stadt aufgrund höherer Bevölkerungsdichte. Die urbanen Lebensgewohnheiten liefern einen Rohstoff für Erträge.

Für Produkte, die mehr Fläche brauchen, werden in Form der Solidarischen Landwirtschaft Netzwerke zu Bauern im Umland geknüpft. Davon profitieren die Landwirte durch größere Planungssicherheit und Unabhängigkeit vom Marktverkauf.

 

Ausblick

 

So verschieden die vorgestellten Projekte sind, die dahinterliegende Philosophie haben sie gemeinsam. Sie wollen Alternativen zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen schaffen, Naturzerstörung und Klimawandel nicht einfach passiv geschehen lassen, sondern sie versuchen, Veränderungen hin

zu einem gesünderen, selbstbestimmten, umweltgerechteren und sozialerem Leben in einer lebenswerten Stadt zu erreichen, und die Menschen dahinter nehmen dafür Hacke und Schaufel in die Hand.

 

Weltweit leben immer mehr Menschen in Städten, seit 2008 erstmals der größere Teil der Weltbevölkerung, deshalb ist es wichtig, gerade in den Städten anzusetzen, die – wie man an dieser kleinen Auswahl von urbanen Permakulturprojekten sehen kann – ein großes Potenzial haben, um soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen.

 

An diesem Punkt setzt auch die Transition-Town-Bewegung an, deren Protagonisten sich und ihre Kommunen auf das „Zeitalter nach dem billigen Öl“ vorbereiten wollen. Sie wollen den Übergang hin zu einer Kultur, die wieder mit weniger Energie auskommt und lokale Ressourchen nutzt, bewusst gestalten. Statt ein Vokabular von Schrumpfen und Verzicht zu verwenden, geht es ihnen um Wachstum, aber eben nicht das der üblichen ökonomischen Kennzahlen, sondern um das Wachsen von Gemeinschaft und produktiven Ökosystemen und lokaler Ökonomie.

 

Aber auch ganz unabhängig von Szenarien des durch Ressourcenknappheit erzwungenen Wandels ist die auf Nahrungsmittelerzeugung und Energieautarkie optimierte Stadt inspirierend für die Planung und Gestaltung von lebenswerten Städten. Denn eine Stadt, in der – nach ökologischen Prinzipien - angebaut wird, wäre eine lebenswerte, naturnähere Stadt, in der weniger Lebensmittel, Materialien und Müll in LKWs durch die Gegend gefahren werden müssen, da der nächste Gemüsegarten mit Komposthaufen zu Fuß erreichbar ist. Ansonsten können vermehrt Elektromobile fahren, sodass die Abgas- und Lärmbelastung drastisch vermindert wird. Die vielen kleinen dezentralen Produktionsstätten und Projekte führen wieder zu größerer Selbstbestimmung und Selbstgestaltung der Städte durch ihre Bewohner und letztlich auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit hier und in anderen Teilen der Welt, die wir beeinflussen können.

 

Wie Bill Mollison es sagt: wir müssen vom letztlich den Produktionsbedingungen gegenüber ignoranten Konsumenten wieder selbst zum Produzenten der für uns lebensnotwendigen Güter werden. Die geschilderten Beispiele für Baustei- ne und Kreisläufe, die in ihrer kleinsten Form sogar in einer Stadtwohnung mit winzigem Balkon umsetzbar sind, könnten beeindruckende Effekte haben, wenn sie von vielen Menschen übernommen würden. Das würde natürlich große Umgestaltungen in der Infrastruktur erfordern, eine große Herausforde- rung, allerdings denke ich, dass die technische Umsetzung dabei das geringe- re Problem wäre...

Ich stelle mir die Permakultur, also die Re-Integration von der Erzeugung von Gütern, die wir wirklich brauchen, in unsere arbeitsteilige Kultur als eine

neue große, system- und kulturübergreifende Vision für alle Menschen vor: So wie früher der Wettstreit des kommunistischen und des kapitalistischen Systems dazu angespornt hat, Menschen auf den Mond zu bringen, könnten jetzt Staaten, Unternehmen und Kulturinstitutionen darin konkurrieren, wie am geschicktesten Energie gespart und am besten moderne Weltwunder wie hängende Gärten in Großstädten gebaut werden könnten.